Japanische Trickschachtel selbst bauen
Japanische Trickschachteln haben ausgeklügelte Verschlussmechanismen, die das Öffnen der Schachteln erschweren. Oft sind zahlreiche Schritte notwendig, um solch ein Kistchen zu öffnen. Es gibt vielfältige Varianten. Bei manchen müssen versteckte Schieber in einer bestimmten Reihenfolge bewegt werden, bei anderen Schachteln können deren Seitenteile immer nur um ein kleines Stück bewegt werden, bevor ein Schieber betätigt werden kann. Wir zeigen in diesem Tutorial eine Grundvariante, bei der die Seiten reihum immer nur ein kleines Stück bewegt werden können, um Platz für die Bewegung der nächsten Seite zu machen.
 

Funktionsprinzip

Der Grundaufbau ist eine Innenbox, die zwischen die Seiten geleimt ist (feste Elemente). Für die vier beweglichen Seitenelemente sind in den Seiten des Grundaufbaus Laufleisten angebracht. Die beweglichen Seiten sind aus jeweils drei Schichten aufgebaut. Die mittlere Schicht ist etwas schmaler, sodass eine Nut entsteht, in der die Laufleisten gleiten können. Die Enden der Seiten sind abgetreppt. Diese Abtreppung ist so angeordnet, dass nur in einer Ecke so viel Platz ist, dass die benachbarte Seite um eine Materialstärke verschoben werden kann. Diese macht dann wiederum so viel Platz für die nächste Seite, dass diese ebenfalls um eine Materialstärke verschoben werden kann. Dies geht so reihum dreimal, bis der Deckel schließlich geöffnet werden kann. In unserem Beispiel ergibt das zehn Schritte.

Eine Innenbox, die zwischen zwei Seiten mit Laufleisten geleimt ist, umgeben von vier beweglichen Seiten

Eine Innenbox, die zwischen zwei Seiten mit Laufleisten geleimt ist, umgeben von vier beweglichen Seiten

 

Als weitere Besonderheit haben wir an der ersten Seite eine Raste eingebaut, damit sich die Seite nicht von allein bzw. durch die Schwerkraft bewegt und sich dadurch bereits „verrät“. Außerdem bauen wir noch einen kleinen Rastanschlag am Deckel ein, damit dieser nicht ungewollt herausfällt.

Die linke Seite kann um eine Materialstärke nach unten verschoben werden und macht Platz für den Deckel

Die linke Seite kann um eine Materialstärke nach unten verschoben werden und macht Platz für den Deckel

Material

Als Material für den ersten Versuch empfehlen wir dünnes Sperrholz von drei bis fünf Millimetern Dicke zu nehmen. Es arbeitet nicht so stark wie Massivholz und Sie können sich kostengünstig mit dem Funktionsprinzip vertraut machen. Da es auf Präzision ankommt, wird am besten mit einer Tischkreissäge zugeschnitten. Sie können aber auch grob von Hand zusägen und dann mit einer Stoßlade auf das genaue Maß bestoßen. Für die Laufleisten hobeln Sie ein Massivholzbrettchen ein klein wenig dicker als die Materialstärke aus.

Werkzeuge und Hilfsmittel

Für den Bau der japanischen Trickschachtel brauchen Sie eine Säge zum Ablängen der Laufleisten, eine Bestoßlade zum passgenauen Nachhobeln der Seiten, eine Hobellade, um die Laufleisten auf Dicke zu hobeln mit einem Hobel, der in die Hobelladen passt, und eventuell einen Simshobel zum Einpassen der Seiten. Zudem benötigen Sie ein schmales Stemmeisen und einen Hammer zum Einlassen der Rastanschläge.
Wir haben uns außerdem ein Verleimbrett gebaut. Dieses besteht aus einer Arbeitsplatte, ca. 300 x 400 mm groß, mit einer aufgeleimten Leiste als Anschlag. Zusammen mit mehreren Verleimschablonen aus schmalen Streifen des verwendeten Plattenmaterials erleichtert dieses Brett das passgenaue Verleimen der Seiten. Schließlich brauchen Sie noch eine Möglichkeit zum Einspannen nach dem Verleimen, z. B. Gewichte oder Zulagen und Zwingen.

Die Hobellade aus MDF wird durch Zulagen in unterschiedlichen Stärken exakt auf die Dicke der Laufleisten eingestellt

Die Hobellade aus MDF wird durch Zulagen in unterschiedlichen Stärken exakt auf die Dicke der Laufleisten eingestellt

Zuschnitt

Zur Erstellung der Zuschnittliste haben wir eine Excel-Tabelle (Nutzen Sie bitte diesen Direktlink, falls Ihr Browser die Datei nicht öffnet oder speichert) erstellt. In die gelb hinterlegten Zellen werden die Außenmaße und die Materialstärke eingegeben. Es wird nicht nur die Zuschnittliste erstellt, sondern aus der Tabelle können Sie auch die Größe der Innenbox ablesen, damit Sie wissen, was in die Trickschachtel nachher hineinpasst.

Bau der Trickschachtel

Zuerst werden alle Teile anhand der Zuschnitttabelle vorbereitet. Dann können Sie schon mit dem Verleimen der beweglichen Seite beginnen. Um den exakten Versatz zu erreichen, nehmen Sie den Anschlag des Verleimbretts und zwei Plattenabschnitte zu Hilfe. Achten Sie beim Spannen der Seiten darauf, dass sich die Teile nicht gegeneinander verschieben.
Als nächstes kümmern wir uns um die Laufleisten. Sie sollten einen Hauch dünner sein als die Nuten in den beweglichen Seiten. Sägen Sie deshalb die Leisten zuerst etwas dicker zu und hobeln Sie sie dann mit einer Hobellade genau auf die richtige Dicke. Dazu gehen Sie folgendermaßen vor: Fügen Sie eine Längskante des Brettchens, das für die Laufleisten vorgesehen ist. Kennzeichnen Sie diese Kante. Sägen Sie mit Kreis-, Band- oder Handsäge eine erste Leiste ab, etwas breiter als benötigt. Wiederholen Sie das Fügen, Kennzeichnen und Absägen, bis genügend Leisten abgesägt sind.

Verleimbrett und Plattenabschnitte erleichtern das genaue Ausrichten der Teile

Verleimbrett und Plattenabschnitte erleichtern das genaue Ausrichten der Teile

 

Durch Zulagen unterschiedlicher Dicke kann die Hobellade genau auf die richtige Stärke eingerichtet werden. Die Leisten sollten leichtgängig in den Nuten der Seiten laufen. Sie können das an einer verleimten Seite testen. Nach dem Ablängen (Maße laut Zuschnittliste) werden die Leisten auf den beiden feststehenden Seiten aufgeleimt. Zum exakten Ausrichten der Leisten fertigen wir uns aus Plattenstreifen eine Verleimschablone. Die Laufleisten müssen an den Stirnseiten mit einem Abstand von drei Materialstärken beginnen und eine Materialstärke von der parallelen Plattenkante entfernt sein. Mit dem Verleimbrett und dieser Schablone geht das Aufleimen der Laufleisten recht einfach. Da bei der letzten Laufleiste auf jeder Seite die zuerst aufgeleimte Leiste die Fläche bedeckt, können wir bei ihr nur die Dicke der Verleimschablone verwenden und müssen den Abstand zur Stirnseite anreißen. Wichtig: die Anordnung der Laufleisten auf beiden Seiten muss spiegelbildlich sein!

Zum Verleimen der Innenkiste werden die Unterkanten der Seitenteile und des Bodens auf Gehrung bestoßen und stumpf verleimt. Prüfen Sie vor dem Verleimen die Länge der Seiten, damit genügend Luft zum Verschieben der Seiten bleibt. Nach der Trocknung des Leims wird die Innenkiste verputzt und auf eine der Seiten mittig zwischen den Laufleisten geleimt. Nach kurzer Antrocknung wird die zweite Seite mit der Innenkiste verleimt und alles zusammen zum Aushärten eingespannt. Wenn der Leim gut abgebunden hat, können Sie die Seiten einpassen, damit sie im Korpus gut laufen. Schieben Sie dazu die Seiten auf die dazugehörenden Laufleisten auf. Sollte dies nicht oder nur schwer möglich sein, können Sie mit der Bestoßlade ein oder zwei Hobelstöße von den Längskanten abnehmen. Prüfen Sie anschließend, ob der Öffnungsmechanismus funktioniert. Manchmal ist es notwendig, die Abtreppung der beweglichen Seitenteile mit einem Simshobel etwas nachzuhobeln.

Beim Verleimen müssen beide Seitenteile exakt bündig ausgerichtet werden

Beim Verleimen müssen beide Seitenteile exakt bündig ausgerichtet werden

 

Für die Rastanschläge werden die erste Seite und der Deckel an den entsprechenden Stellen markiert. Bohren Sie Löcher vor und stemmen Sie sie eckig aus, so dass Sie ein Stückchen des Laufleistenmaterials einleimen können. Auch an der Innenkiste muss für die Rastung eine Aussparung angebracht werden. Markieren Sie die Stelle und arbeiten Sie eine Vertiefung ein (siehe Zeichnung), so dass der Anschlag einrasten kann. Wenn die Verleimung der Holzstückchen für die Anschläge fest ist, können diese auf das exakte Maß gekürzt werden. Dazu stemmen Sie die Stirnflächen am besten dachförmig ab und tasten sich in kleinen Schritten langsam heran, bis die Rastung funktioniert. Sollten Sie zu viel wegstemmen, muss ein neues Klötzchen eingeleimt werden.

Im geschlossenen Zustand verriegelt der Rastmechanismus die linke Seite und verhindert ihr Herausfallen im geöffneten Zustand

Im geschlossenen Zustand verriegelt der Rastmechanismus die linke Seite und verhindert ihr Herausfallen im geöffneten Zustand

 

Verzierungen und Oberflächenbehandlung

Damit nicht gleich zu erkennen ist, welche Seite als erste bewegt werden muss, sind viele japanische Trickschachteln mit sehr fein gemusterten Holzauflagen versehen. Sie können ein entsprechendes Muster auf die Kiste aufmalen oder mit einem Brandmalgerät in die Oberfläche einbrennen. Ein guter Effekt entsteht durch das Anbringen kleiner umlaufender V-Fugen. Diese können Sie mit einem sogenannten Scratch-Stock (auch Kratzstock oder Profilschabhobel genannt) anbringen. Ein Scratch-Stock ist ein Winkel aus Holz, in den eine ziehklingenähnliche Schneide, in diesem Fall v-förmig, eingespannt ist. Mit dieser v-förmigen Spitze werden dann im Abstand einer Materialstärke in alle Seiten ringsum kleine Nuten an allen Kanten geschnitten.

Durch geschickte Verzierungen ist die erste Seite schwer zu finden

Durch geschickte Verzierungen ist die erste Seite schwer zu finden

 

Dadurch ist schwierig, zu erkennen, welche der Seiten an beiden Enden übersteht und sich als erste bewegen lässt. Ein ähnlicher Effekt wird erzielt, wenn alle Kanten der Kiste gleichmäßig mit einer Fase in Materialstärke versehen werden. Zum Schluss kann die Kiste noch geölt oder lackiert werden. Ein wenig Seife oder Wachs, auf den Laufleisten aufgebracht, erleichtert das Verschieben der Seiten. Ob Sie es den Beschenkten jedoch einfacher machen möchten, können Sie gerne selbst entscheiden.