Anreißen mit Schmiegen
 

Die Schmiege wird oft nur zum Abnehmen und Übertragen von Winkeln eingesetzt. Sie kann jedoch wesentlich mehr und ist im Werkstattalltag ein hilfreiches und sehr vielseitiges Anreißwerkzeug. Zum besseren Verständnis haben wir jeden Tipp mit einer oder mehreren Grafiken illustriert. In unserem Video demonstriert DICTUM® Kursleiter Heiko Pulcher alle Tipps in der Praxis.

 

Teile der Schmiege

Die Schmiege ist ein recht einfaches Werkzeug. Sie besteht im Wesentlichen aus nur 3 Teilen. In der Vergangenheit haben sich deshalb viele Holzhandwerker dieses Anreißwerkzeug selbst gebaut.

Merke: Bei Ziege, Mensch und Schmiege bewegt sich die Zunge im Kopf.«

Die Arretierung ist im einfachsten Fall eine Schraube mit Gegenlager bzw. Mutter. Bei moderneren Ausführungen finden sich auch Klemmhebel mit teils trickreichen Mechaniken. Wichtig ist, dass sich die Zunge fest arretieren lässt, ohne dass sich dabei die Winkeleinstellung verändert. Bei billigen Schmiegen ist die Klemmung oft nicht fest genug, so dass sich der Winkel schon bei der kleinsten Berührung ungewollt verstellt.

Teile der Schmiege
 

Vorteile

Das Anreißen mit der Schmiege ist im Vergleich zum Messen mit einem Maßstab oder Lineal meist schneller und wesentlich genauer. Beim Messen passieren leicht Fehler. Beim Anreißen mit der Schmiege werden Maße direkt übertragen und Winkel ermittelt. Fehler passieren dabei kaum, und wenn, dann sind es meistens Denkfehler.

 

1. Winkel abnehmen und übertragen

Das Abnehmen und Übertragen von Winkeln ist die Standardanwendung für die Schmiege. Immer, wenn ein Winkel von einem Werkstück abgenommen wird, um ihn auf ein anderes zu übertragen, kommt die Schmiege zum Einsatz. Wichtig: Je länger die Zunge dabei anliegt, umso genauer wird der Winkel übertragen.
Dies gilt auch bei kleinen Winkeln bzw. kurzen Strecken. Wenn Sie zum Beispiel den Winkel einer Schneide prüfen und an der Schleifführung einstellen möchten, nutzen Sie die größtmögliche Strecke bzw. die Länge der Zunge aus, um den Winkel am Geodreieck abzunehmen.

Winkel abnehmen und übertragen

Mit der beidseitig herausstehenden Zunge (A) kann auch der sog. Gegenwinkel angerissen werden. Um Winkel exakt zu übertragen, sollte die Zunge komplett anliegen (B).

 

2. Zinkenwinkel/Zinkensteigung

Zum Anzeichnen von Schwalben gibt es mehrere »Spezialwerkzeuge«. Diese sind in der Regel auf eine bestimmte Steigung festgelegt. Üblich sind dabei die Steigungsverhältnisse 1:6 für Zinken in Weichholz und 1:7 bei Hartholz. Solche Zinkenwinkel haben den Vorteil, dass die Steigung stets dieselbe ist, man also nichts einstellen muss. Dadurch geht das Anreißen damit entsprechend schnell. Wenn Sie keinen solchen Zinkenwinkel haben oder eine andere Steigung anreißen möchten, zum Beispiel für sehr schmale und steile Zinken mit 1:8 (sogenannte »Englische Zinken«), können Sie das mit einer Schmiege erledigen. Dies ist auch die klassische Methode, die in der Ausbildung zum Schreiner oder Tischler vermittelt wird.

Zinkenwinkel/Zinkensteigung

Einstellen der Steigungen im Verhältnis 1:8 und 1:6

 

Dafür zeichnen Sie sich eine Senkrechte an und teilen diese entsprechend dem gewünschten Verhältnis in x Einheiten auf. Nutzen Sie dazu wieder eine möglichst lange Strecke, also nicht nur einen, sondern zwei oder drei Zentimeter je Einheit. Dann wird eine Einheit zur Seite angezeichnet und schon können Sie die Schmiege auf das gewünschte Steigungsverhältnis einstellen.

 

3. Strecken teilen

Auf ähnliche Weise lassen sich auch Strecken in beliebig viele Teile aufteilen. Dazu können Sie das Prinzip der Parallelverschiebung nutzen. Zeichnen Sie eine Gerade auf. Diese muss nicht unbedingt rechtwinklig zur Kante sein, die Sie aufteilen möchte. Die Gerade muss sich nur in einem Endpunkt mit der zu teilenden Strecke schneiden. Nun teilen Sie die Gerade in die gewünschte Anzahl auf (z. B. mit einem Zirkel). Anschließend legen Sie die Schmiege am Ende der Strecke an und richten die Zunge auf den letzten Punkt an der Geraden aus. Nun verschieben Sie die Schmiege schrittweise zum Schnittpunkt mit der Geraden und übertragen jeweils die Teilabschnitte auf die Stecke. Die Parallelverschiebung können Sie z. B. zum Anzeichnen der Zinkenteilung oder zum gleichmäßigen Verteilen von Dübeln nutzen.

Strecken teilen
 

4. Strecken halbieren

Noch schneller und einfacher geht das Halbieren einer Strecke. Hierfür brauchen Sie nur zwei Endpunkte einer Strecke. Die Schmiege stellen Sie auf einen relativ flachen Winkel, z. B. 45° ein. Nun zeichnen Sie jeweils von Endpunkt ausgehend eine Linie. Dort, wo sich die Linien schneiden, ist der Mittelpunkt der Strecke. Diesen können Sie nun mit dem Winkel auf die Kante übertragen.

Strecken halbieren
 

5. Winkel halbieren

Auch zum Halbieren von Winkeln können Sie die Schmiege nutzen. Wenn Sie beispielsweise in einer nicht rechtwinkligen Zimmerecke Bodenleisten auf Gehrung zuschneiden müssen, können Sie den Gehrungswinkel mit folgender Technik zeichnerisch ermitteln.
Zunächst nehmen Sie den Winkel in der Zimmerecke ab. Dann ziehen Sie in einem definierten Abstand (A) mit der Schmiege zwei parallele Linien. Im selben Abstand zeichnen Sie nun eine Parallele zur vorher genutzten Kante an. So entsteht ein Parallelogramm.
Wichtig: alle Seiten des Parallelogramms haben dieselbe Kantenlänge! Verbinden Sie nun die Ecke mit dem Schnittpunkt der Linien gegenüber und Sie haben den gesuchten Gehrungswinkel.

 
Winkel halbieren 1
Kantenlänge Parallelogramms
 

6. Größtmögliches Sechseck

Angenommen, Sie möchten aus einer vorhandenen Platte eine sechseckige Tischplatte bauen und die Größe der Platte optimal nutzen. Zeichnen Sie zunächst die beiden Mittelachsen auf der Platte an und stellen Sie die Schmiege auf einen Winkel von 60° ein.
Nun wird die Schmiege an der Längsseite der Platte angelegt, sodass die Zunge den Mittelpunkt der Achsen schneidet. Vom Mittelpunkt ausgehend, markieren Sie nun rechts und links neben der senkrechen Achse die Punkte an der Kante. Das gleiche machen Sie an der gegenüberliegenden Kante. Somit haben Sie die Länge der Kanten des Sechsecks an den Längsseiten der Platte bereits ermittelt. Um die noch fehlenden Kanten anzuzeichnen, setzen Sie die Schmiege an den zuvor ermittelten Punkten an und zeichnen jeweils eine Linie zur Längsachse. Wenn Sie genau gearbeitet haben, schneiden sich die Linien genau auf der Längsachse.

 
Größtmögliches Sechseck
Größtmögliches Sechseck
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